Drei Konzerte in der Stiftsruine
Beitrag von Osthessen News
Die grandiosen 69. Bad Hersfelder Festspiele wurden vor einer Woche beendet. Dennoch wurde die Stiftsruine noch einmal mit einem musikalischen Hochgenuss erfüllt. Das Abschlusskonzert der Festspielsaison an diesem Wochenende ist längst eine lieb gewordene Tradition und immer wieder ein Höhepunkt im kulturellen Jahreskreislauf in der Festspielstadt. Der Chor der Modell- und Gesamtschule Obersberg und das Blechbläser-Ensemble der Modell- und Gesamtschule Obersberg und der Konrad-Duden-Schule unter der Gesamtleitung von Ulli Meiß begeisterten bei drei Terminen insgesamt 3.800 Zuhörer.
„Fünf Mutige“ eröffneten offen und ehrlich das Programm: „Wenn man ein Chormann ist, hat man nichts zu lachen – ein dreckiger Job – doch irgendwer muss ihn ja machen“. Pure Selbstironie der leidenschaftlichen Sänger. Nach diesem Spaß verschafften sich Chor und Blechbläser mit „Adiemus“ Gehör und sorgten so für einen ersten Gänsehautmoment. Ulli Meiß kündigte „die übliche musikalische Mischung“ an und stapelte damit tief. In dem gut zweistündigen Programm zündeten die Protagonisten ein Feuerwerk der Emotionen. Wunderschöne, vielfach vergessene Volkslieder wie „Wem Gott will echte Gunst erweisen“, „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“ oder „Marienwürmchen“, berührend mit Sologesang vorgetragen, sorgten für die stilleren Momente. Anastasia Boksgorn setzte mit ihrer Begleitung auf der Violine akustische Akzente.
Ulli Meiß wird als Chorleiter von einem großen Lehrerteam unterstützt, dem er herzlich dankt. „Bei manchen ist die Leidenschaft so groß, dass sie sogar ihren eigenen Geburtstag in der Ruine feiern“. Anne Rill, die für die Stimmbildung zuständig ist, aber auch die Klavierbegleitung übernimmt, war das Geburtstagskind des Tages und wurde am Samstag mit einem stimmgewaltigen „Happy Birthday“ beglückwünscht.
Danach folgte eine Premiere. Während des Probenaufenthaltes des Chores auf der Insel Rügen wurde vor allem ein Lied geprobt: „Halleluja“. Vorab hatten die Verantwortlichen einen anspruchsvollen sechsstimmigen Satz gefunden. „Es geht drunter und drüber wie im britischen Unterhaus“, flachste Ulli Meiß, der natürlich wusste, dass der Chor es schafft, "vom ungeordneten ins geordnete reinzukommen, auch wenn das sehr schwierig ist“. Den frenetischen Applaus hat sich der Chor verdient.
Die Blechbläser sind bekanntermaßen eine Klasse für sich. Mit dem „Fliegermarsch“, „Second Waltz“, „Espana Cani“, „Viva la Vida“, „Sound of Silence“ oder „YMCA“ bewiesen sie die ganze Bandbreite ihres Könnens. „Once Upon a Time in the West“ war nicht nur ein musikalischer, sondern auch ein wilder, lustiger Ausflug in den Wilden Westen. „Ich habe meine Leute nicht mehr im Griff“, beklagt Ulli Meiß mit einem Lachen, nicht ahnend, dass die Bläser zum Abschluss noch mal richtig Gas geben.
Ulli Meiß betonte zum passenden Zeitpunkt, dass es wissenschaftlich erwiesen ist, dass der normale Konzertbesucher nach 65 Minuten in ein tiefes Loch fällt, er unleidlich wird und sich fragt, wie er dem entkommen kann. Zur Auflockerung wurde „Mein Hut, der hat drei Ecken“ angestimmt, wobei einzelne Worte durch Gesten ersetzt wurden. Ein großer Spaß. Hellwach genoss das Publikum wohlwollend ein Potpourri aus Rock und Pop, das mit „Money, Money“ von Abba bis zu Westerhagens „Freiheit“ aufwarten konnte. Vorab begeisterte Tatjana Beyer als Solistin mit „In der Nacht ist der Mensch nicht gern alleine“.
Chorleiter Ulli Meiß, der mit Leidenschaft, musikalischer Kompetenz und künstlerischer Professionalität die Chormitglieder motiviert und gleichzeitig fordert, fühlt sich auch den Eltern gegenüber zu Dank verpflichtet, die „dahinter stehen“ und viel auf sich nehmen, um die Chorleidenschaft ihrer Kinder zu fördern. Chor und Blechbläser, die „musikalischen Botschafter aus Bad Hersfeld“ reisen gern, bekennt der erfolgreiche Chorleiter. Anfang 2020 fliegen die Blechbläser nach Südamerika. Noch vor Weihnachten folgt der Chor einer Einladung nach New York. Mit dem Udo-Jürgens-Song „Ich war noch niemals in New York“ stimmten sich die Chormitglieder mit Marisa Linß als Solistin selbst darauf ein.
Mit „Major Tom“, der völlig losgelöst von der Erde durch den Weltraum fliegt, hob Matheus Drzewiecki zum Abschluss des offiziellen Programms als Solist ab. Das Publikum feierte dieses herausragende Konzerterlebnis mit stehenden Ovationen und wurde mit einer stimmungsvollen Zugabe belohnt. „Time to say Goodbye“ ging unter die Haut, besonders der hingebungsvolle Sologesang von Jacqueline Hartwig war grandios. Ein Konzert, das neben einem wahren Ohrenschmaus beste Unterhaltung bot, überzeugte auch in diesem Jahr voll und ganz. Zudem setzten die singenden Protagonisten mit allen Möglichkeiten, die die Stiftsruine bietet, ihre musikalischen Beiträge bildgewaltig in Szene.
von Gudrun Schmidl